Wem tut es nicht gut, wenn ein Kollege sich mit ein paar anerkennenden Worten oder einem Schulterklopfen für die tolle Unterstützung bedankt? Oder wem "geht es nicht runter wie Öl", wenn die persönlichen Stärken gelobt werden?
Anerkennung kann ein starker Motivator sein. Anerkennung zählt laut Jurgen Appelo (Management 3.0-„Erfinder“) zu den zehn grundlegenden „Moving Motivators“. Das sind die Motivatoren, denen wir im Arbeitsleben begegnen und uns antreiben, besonders engagiert zu sein. Dabei sind diese Motivatoren intrinsische und extrinsische Motivatoren – und manche sind Mischungen aus beiden. Zur Erinnerung: intrinsische Motivation ist ein inneres Bedürfnis, während extrinsische Motivation von außen kommt. Ein Beispiel für eine intrinsische Motivation ist der Motivator Mastery (Perfektionierung), der uns eine innere Genugtuung verschafft, wenn wir etwas besonders gut beherrschen. Ein Beispiel für extrinsisch ist die Anerkennung, da es um die Wertschätzung der Kollegen geht.
Die Motivatoren sind etwas ganz persönliches – jeder Mensch hat seine individuelle Reihenfolge und Zusammensetzung von Motivatoren. Es kann auch sein, dass die Motivatoren im Geschäftsumfeld andere sind als im Privatleben. Beispielsweise gibt es Menschen, die mehr durch Anerkennung motiviert werden als andere, trotzdem kenne ich wenige Menschen, die bei einem Kompliment völlig unberührt bleiben oder es gar ablehnen.
Motivation durchs System
Management 3.0 zielt nun darauf ab, nicht die Motivatoren einzeln zu „bedienen“, sondern vielmehr die Umgebung (also das System) so zu strukturieren und zu gestalten, dass es jedem Mitarbeiter erlaubt, seine Motivatoren automatisch erfüllt zu bekommen. Lasst uns das am Beispiel der Anerkennung genauer betrachten: Als Führungskraft habe ich mitbekommen, dass mein Mitarbeiter Paul (frei erfundener Mitarbeiter) sehr viele Aufgaben übernimmt, um Anerkennung dafür zu bekommen. Es zeigt sich, dass er umso engagierter und besser seine Aufgaben erledigt, wenn er Anerkennung bekommt – und sich sehr aufregt, wenn sie ausbleibt. Es geht bei „Motivation durchs System“ nicht darum, dass ich regelmäßig lobe oder Boni vergebe, sondern darum, dass ich als Führungskraft eine Struktur initiiere, die das übernimmt. Eine ausgezeichnete Möglichkeit sind die Kudo-Karten mit der Kudo-Wand.
Kudo-Karten
Bei Kudo-Karten geht es darum, ein System oder besser eine Struktur in der Form eines Rituals zu schaffen, in der ein Team sich selbständig Anerkennung gegenseitig ausspricht und so Menschen, die Anerkennung als Antrieb brauchen, unterstützt werden.
Die Kudo-Karten sind ganz einfach auszufüllen. Es reicht aufzuschreiben, von wem die Karte kommt, an wen sie gerichtet ist und das Wichtigste: die Wertschätzung bezogen auf eine konkrete Situation. Das reicht von „Danke für die Unterstützung beim Pair-Programming“ bis hin zu „Hut ab für den ausgezeichneten „Feuerwehr“-Einsatz beim letzten Bug“. Die Kudo-Karten werden direkt geschrieben, wenn die Situation auftritt – ein eingespieltes Team erkennt diese sofort. Diese kann entweder im nächsten Daily überreicht oder beispielsweise in eine Kudo-Box geworfen werden. Die Karten in der Box werden dann bei der nächsten Retrospektive vorgelesen und an die Kudo-Wand gehängt.
Das Vorlesen und öffentlich machen ist ein wesentlicher Bestandteil des Rituals. Ich habe von Teams gehört, die sich beschwert haben, wenn das Vorlese-Ritual mal ausfiel.
Wer hat´s erfunden?
Es gibt seit langer Zeit schon "Lobkärtchen" oder ähnliche Anerkennung, die aber im Allgemeinen von Lehrern oder Vorgesetzten ausgestellt werden. Das ist zwar eine schöne Anerkennung, aber um die geht es hier nicht. Vielmehr soll es hier um die Anerkennung der "Peer"-Gruppe gehen, sprich von Kollegen oder Gleichgestellten, die zusammenarbeiten. Als Beispiel: Ich bin selbst Agiler Coach und wenn ich einem Entwickler ein Kompliment zu seinen Programmierkenntnissen mache, dann ist das nicht so wertvoll wie das Kompliment eines Entwicklerkollegen, der die spezifische Programmierlösung auch wirklich beurteilen kann.
Und darum geht es! Anerkennung auf Augenhöhe, von Gleichgestellten. Eben "Kudos". Kudos ist ein Wort, das aus dem Griechischen entlehnt ist und so viel bedeutet wie "Respekt", "Hut ab".
Hintergrund und Auswirkungen
Rituale wie die Kudo-Wand fokussieren ein Team auf gegenseitige Wertschätzung. Zum einen erfüllt es den Motivator Anerkennung und zum anderen hat es auch einen steuernden Effekt, dass über die Wertschätzung ein Signal zum Beispiel für gute Qualität, kollegiales Verhalten und andere team-fördernde Verhalten gestärkt werden.
Vor allem folgen die Kudo-Karten mit ihrem Ritual auch den sechs Regeln für Belohnungen.
Noch eines zu beachten
Wie alle Initiativen aus Management 3.0 ist die Kudo-Wand ein starkes Werkzeug – sofern es aus dem Team heraus angenommen wird. Wir experimentieren als Agile Coaches mit den Werkzeugen, da nicht alle guten Werkzeuge mit allen Teams funktionieren.
Ich empfehle, eine Zeit lang konsequent selbst Kudo-Karten zu schreiben. Wenn ich dann im Team eine Situation beobachte, die Anerkennung verdient, frage ich das betreffende Team-Mitglied, ob es nicht selbst auch eine Karte schreiben möchte. Hier und da darf ich auch etwas „schubsen“. Und natürlich kündige ich das Experiment an und hole mir das Einverständnis des Teams – denn die Kudo-Karten mit Kudo-Wand ist ein „lebendes“ Ritual, das nur aus dem Team selbst heraus nachhaltig funktioniert. Aber wenn es zum Laufen kommt, fördert es den Team-Zusammenhalt ungemein – und tut einfach gut.
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