Agile Methoden/ 29.11.2022 / Expertengruppe Agile

Teil I: Agilität als Motor des Digital Value Streams

Traditionelle Unternehmensorganisationen zeichnen sich in der Regel durch die strukturelle Bündelung von „Gleichgesinnten“ aus – beispielsweise in einer zentralen IT-Softwareentwicklungsabteilung oder einem zentralen Vertrieb. Diese Organisationeinheiten werden wiederum durch Projekte miteinander verbunden, um auf diese Weise zusammenzuarbeiten und Ergebnisse zu liefern. Die Idee dahinter klingt so einfach, wie erfolgversprechend:

Bündelung aller Expertise in einem schlagkräftigen Team, um so auch die schwierigsten Aufgaben bestmöglich und effizient abzuarbeiten und diese Leistungen allen Projekten und Produkten zugänglich machen zu können.

Ihnen gemein ist die Bündelung von Expertise und Spezialwissen einer Disziplin in einer eigenen Organisationseinheit. Jede Organisationseinheit fokussiert sich dabei, die ihr zugewiesene Arbeit möglichst effektiv und effizient umzusetzen.

Dabei wird in der Regel das zu entwickelnde Gewerk oder Produkt immer an die nächste Einheit von Spezialisten weitergegeben, um es zu vervollständigen. Im Hinblick auf den gesamten Entwicklungs- oder gar Lebenszyklus des erstellten Produkts, ist jedoch festzustellen, dass diese Vorgehensweise einige Schwächen aufweist. Welche dies sind, zeigen wir im Folgenden auf.

Schwächen bisheriger Organisationsformen

Die meisten Herausforderungen im traditionellen Organisationsmodell resultieren zwangsläufig aus den notwendigen Übergaben (Handovers) zwischen den verschiedenen Expertise-Bereichen und Organisationseinheiten. Diese Handovers erfolgen in der Regel in Form von umfassenden Dokumenten oder Übergabegesprächen, bei denen es gilt, innerhalb kürzester Zeit, teils sehr komplexe Sachverhalte zu vermitteln. In der Praxis zeigen sich dabei eine Vielzahl von Problemen: Missverständnisse, Wissensverlust aufgrund der immensen Informationsdichte, mehrfache Rückfragen oder Zeitdruck.

Erschwert wird die Situation meistens noch dadurch, dass die Spezialisten*innen oft gleichzeitig in mehreren Projekten unterstützen. Sie müssen sich also gleich in mehreren unterschiedlichen Kontexten Wissen aneignen und an unterschiedliche, oft extern vorgegebene Zeitpläne und Meilensteine halten. Fehlt hier eine saubere Priorisierung der Projekte untereinander führt das bei den Mitarbeitern*innen nicht nur oft zu Druck und Stress, sondern oft zu Mehrarbeit, fehlendem Fokus, zusätzlichen Korrekturschleifen oder das Arbeit auch mal für einige Zeit liegenbleibt. Unnötig zu erwähnen, dass immer schon das nächste Vorhaben vor der Tür steht und der Arbeitsdruck entsprechend hoch ist.
 

In den letzten Jahren kam noch ein weiterer Faktor dazu, welcher die Schwächen dieser Organisationsmodelle verstärkt zu Tage fördert: Agile Vorgehensweisen wie beispielsweise Scrum, Teamwork, gemeinsames Verständnis für und Weiterentwicklung des Produkts, das Aufbrechen von Wissensinseln, „T-Shaped“-Spezialisten. Dies alles sind Konzepte, welche nicht zwangsläufig mit der klassischen Arbeitsweise und den damit verbundenen Denkmustern zusammenpassen. 

Im Fokus steht der Value Stream

Somit ist es eine mehr als legitime Frage, wie denn eine moderne Organisationform aussehen könnte, welche Agile Arbeitsweisen besser unterstützt und die genannten Schwachstellen besser adressiert. Hier hilft es noch einmal einen Schritt zurückzugehen und sich darauf zu besinnen, worum es eigentlich geht: nämlich die Stärkung des eigenen Geschäfts, des Business Values („Outcome“).

Daher ist auch die Organisation so zu strukturieren und aufzubauen, dass sie den Prozess der Wertschöpfung („Value Stream“) abbildet und unterstützt – anstelle sich auf Zwischenergebnisse („Output“) zu fokussieren und zu spezialisieren.

Der Value Stream beginnt bereits mit der Ideenfindung, schließt die komplette Umsetzung, aber beispielsweise auch Marketing, den Betrieb in Produktion und das Einholen von Feedback für eine kontinuierliche Verbesserung ein – also alle Tätigkeiten die notwendig sind, damit das Produkt am Ende zum Erfolg des Unternehmens beitragen kann.

Die Identifizierung und Definition eines solchen Value Streams kann dabei eine durchaus herausfordernde Aufgabe sein. Unter anderem ist der Einsatz einer Value Stream Map hier ein hilfreiches Werkzeug. Darin sind die einzelnen Prozessschritte sowie die Aktivitäten an den Schnittstellen aufgeführt. Hierdurch ist eine Übersicht über alle Punkte gegeben, an denen die Zusammenarbeit im Hinblick auf den Value Stream verbessert werden kann. Eine mögliche Darstellung ist wie folgt zu sehen:

Wenn wir diesen Value Stream aus unserer Perspektive als IT-Fachkräfte betrachten, heißt das also, dass alle Disziplinen in einem Team/einer Organisationseinheit zusammengefasst werden sollten. Dazu gehören Teammitglieder, die sich mit der User Experience beschäftigen oder Anforderungsmanagement betreiben, ebenso wie Softwareentwickler, die für die Umsetzung zuständig sind. Aber auch Betriebsthemen spielen eine Rolle und sollten im Sinne einer DevOps-orientierten Organisation berücksichtigt werden.

Die Reorganisation entlang des Value Streams hat zur Folge, dass alle Beteiligten einen deutlich stärkeren fachlichen und inhaltlichen Fokus auf das das Produkt haben. Gleichzeitig entwickeln die Teams eine hohe Stabilität, da sie nicht mehr für unterschiedliche Projekte und Produkte unterwegs sind.

 

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